Was „User Experience“ in der Theorie bedeutet und welche Aspekte dieser Themenkomplex erfasst, beschreibe ich in der zweiteiligen Themenreihe zum Bereich „Usability“. Heute veröffentliche ich den zweiten und zunächst letzten Teil.
Die User Experience einer interaktiven Anwendung setzt sich aus dem Nutzen (engl. Utility), der Nutzbarkeit (engl. Usability) und der Nutzungsfreude (engl. Joy of Use) zusammen, wie in Abbildung 1 dargestellt.
Utility, Usability und „Joy of Use“ gelten immer gleichzeitig zu jeder Zeit mit der gleichen Relevanz.
Die drei Komponenten der User Experience lassen sich sehr gut erklären durch die Aufgliederung in einzelne Bestandteile. Diese Bestandteile möchte ich wie folgt kurz erläutern:
Usability – Nutzbarkeit:
– Konsistenz
Von Konsistenz spricht man, wenn vergleichbare Sachverhalte stets in derselben Art dargestellt sind und wenn sie auf vergleichbare Nutzereingaben und vergleichbare Situationen stets in derselben Art reagieren.
Beispiel: Das Logo ist konstant oben links in der Anwendung platziert.
– Nachvollziehbarkeit
Nachvollziehbarkeit ist gewährt, wenn dem Nutzer zu jeder Zeit vermittelt wird, welche Eingaben in welcher Art und Reihenfolge notwendig sind, um den aktuellen Zustand der Anwendung zu erzeugen.
– Kontextsensitivität
Unter Kontextsensitivität versteht man, wenn die umgebende Situation registriert und diese zusätzlich zu den Nutzereingaben für die Ausgabe von Daten berücksichtigt wird.
Beispiel: Bei der Suche nach Kaminöfen in Google, finden sich im Suchergebnis lokale Ergebnisse wieder – passend zum Standort des Benutzers.
– Selbstbeschreibungsfähigkeit
Liegt vor, wenn dem Nutzer die Möglichkeit gegeben wird zu jeder Zeit die Anzahl und die Art der möglichen Eingaben und die daraus folgenden Ausgaben der interaktiven Anwendung anzuzeigen.
– Fehlertoleranz
Eine hohe Fehlertoleranz ist gegeben, wenn offensichtlich fehlerhafte Eingaben durch den Nutzer ohne negative Auswirkungen auf die von ihm beabsichtigte Art der Nutzung der Anwendung bleibt.
– Individualisierbarkeit
Wenn der Nutzer aus mehreren möglichen Arten der Präsentation, der Interaktion oder des Inhalts auswählen kann, um seine Anforderung zu erfüllen.
Utility – Nutzen:
– Relevanz
Wenn die Anwendung in der Lage ist, die konkreten und persönlichen Anforderungen des Nutzers zu erfüllen.
Beispiel: Der Nutzer sucht einen Logistiker, dann ist die Anwendung von Kühne und Nagel in dem Moment relevant.
– Vollständigkeit
Wenn die Anwendung in der Lage ist, alle in einem definierten oder allgemein akzeptierten Zusammenhang stehenden Anforderungen des Nutzers zu erfüllen.
– Integration
Wenn die Anwendung die Anforderungen des Nutzers, unter Berücksichtigung von anderen vom Nutzer verwendeten interaktiven Anwendungen, erfüllt.
Beispiel: Bestimmte Datenformate einer anderen Anwendung können weiterverarbeitet werden, wie z.B. das Uploading über ein Webinterface von einer csv Datei mit Kontaktdaten aus Excel.
– Aktualität
Wenn die Anwendung die Anforderung des Nutzers gemäß dem letzten Stand des allgemeinen Wissens erfüllt.
– Korrektheit
Wenn die Anwendung die Anforderungen des Nutzers in einer gesellschaftlich oder wissenschaftlich anerkannten Form erfüllt.
– Kooperation
Wenn die Anwendung in der Lage ist, dem Nutzer bei der Erfüllung seiner Anforderungen proaktiv zu unterstützen.
Beispiel: Die Anwendung von Kühne und Nagel zeigt verwandte Themen an.
Joy of Use – Nutzungsfreude:
– Innovation
Wenn neuartige oder bisher unbekannte Möglichkeiten zur Dateneingabe angeboten werden und wenn neuartige oder bisher unbekannte Formen der Datenausgabe genutzt werden.
– Symbolik
Wenn die Anwendung in der Lage ist, persönlichen Status und Gruppenzugehörigkeit, persönliche Überzeugung und Einstellung sowie persönliche Erinnerungen des Nutzers darzustellen.
– Exklusivität
Wenn die Anwendung wenigstens zu einem Teil nur einer eingeschränkten Gruppe von Nutzern zugänglich ist.
Beispiel: Anwendungen in Intranets und Extranets.
– Herausforderung
Wenn die Anwendung unerwartete, überraschende und unbekannte Reaktionen im Rahmen der Fähigkeiten des Nutzers neue Möglichkeiten und Perspektiven der Interaktion offenbart und anbietet.
– Vertrauenswürdigkeit
Wenn das Nutzungsrisiko für den Nutzer soweit wie möglich minimiert wird.
– Personalisierbarkeit
Wenn der Nutzer mittels eigener, nicht allgemein zur Verfügung stehender Mittel seinen persönlichen Vorlieben entsprechend anpassen kann.
Studie – An welcher Position wird was erwartet
In einer Studie hat Michael Bernard geprüft, an welcher Position im Layout einer Website die Nutzer bestimmte funktionale Elemente erwarten. Für den folgend abgebildeten Test hat er ein Browserfenster in ein Raster mit 7×6 quadratischen Flächen eingeteilt. Die Studie zeigt, dass die verschiedenen Elemente an genau den Stellen erwartet werden, an denen sie auch auf der Mehrzahl der Website zu finden sind. Bernard schliesst daraus, dass es bei der Neuentwicklung einer Website sinnvoll ist, diese Standards einzuhalten, da die Nutzer sonst verwirrt werden könnten und die Usability der Website darunter leiden würde.
Je dunkler die Farbe einer Fläche, desto größer der Prozentsatz der Nutzer, die an dieser Stelle das jeweilige Element erwarten. Für die Kühne und Nagel Anwendung zeigt diese Studie, dass die Platzierung des Logos oben links beibehalten werden sollte. Gleiches gilt auch für die Platzierung des Hilfe Buttons bzw. in dem Fall Kühne und Nagel der Suchfunktion oben rechts.
[Abbildung 2] Arndt, Henrik. „Integrierte Informationsarchitektur“. Heidelberg 2006, S.95
[Abbildung 1] Arndt, Henrik. „Integrierte Informationsarchitektur“. Heidelberg 2006, S.85